Taiwans ehemalige Staatspräsidentin Tsai Ing-wen unternimmt derzeit ihre zweite Europareise nach dem Ausscheiden aus dem Amt und macht dabei in Litauen, Dänemark und Großbritannien Station.
Am 10. Mai traf Tsai auf Einladung von Litauens früherer Präsidentin Dalia Grybauskaitė in der Hauptstadt des baltischen Landes Vilnius ein. In einer Rede vor der Universität Vilnius wies sie darauf hin, dass sowohl Taiwan als auch Litauen autoritäre Herrschaft erlebt hätten — Taiwan während der 38-jährigen Periode des Kriegsrechts zwischen 1949 und 1987, Litauen unter sowjetischer Herrschaft. Beide Länder würden Freiheit und Demokratie daher umso mehr schätzen. „Die Geschichte lehrt uns, dass Freiheit und Demokratie keine Selbstverständlichkeit sind“, betonte sie. „In unsicheren Zeiten sollten wir unsere Werte umso stärker hochhalten.“
Zwar sei Taiwan inzwischen eines der demokratischsten Länder der Welt, doch Herausforderungen wie Cyberangriffe, Desinformation und militärische Bedrohungen durch die VR China seien nicht geringer geworden. „Wir mögen ein kleines Land sein, aber wir werden uns niemals durch Drohungen einschüchtern lassen“, unterstrich Tsai.
Taiwan und Litauen hätten laut Tsai 10 Millionen US$ investiert, um die Ukraine beim Wiederaufbau zu unterstützen. Zudem hätten die beiden Länder ihre Zusammenarbeit bei Wissenschaft und Technologie sowie Startups vertieft. In Bezug auf die Sicherheit wies Tsai Ing-wen darauf hin, dass demokratische Länder zusammenarbeiten müssten, um Falschmeldungen und Angriffe auf kritische Infrastrukturen, insbesondere die Sicherheit von Unterseekabeln, zu bekämpfen.
Nach drei Tagen in Litauen reiste Tsai nach Dänemark weiter, wo sie am 13. Mai vor dem Demokratiegipfel in Kopenhagen eine Ansprache hielt. Außerdem besuchte sie Dänemarks Parlament und sprach mit Angehörigen der parlamentarischen Taiwan-Freundschaftsgruppe.
Tsai lobte die kooperativen Beziehungen zwischen Taiwan und Dänemark, die in den jüngsten Jahren große Fortschritte verzeichnet hätten. Insbesondere die Zusammenarbeit im Bereich der Offshore-Windenergie habe fruchtbare Ergebnisse erzielt, so Tsai.
Auch bei diesem Besuch hob Tsai die gemeinsamen Werte Demokratie, Freiheit und Menschenrechte hervor, welche die wahre Stärke der bilateralen Beziehungen ausmachten. Taiwan sei dem Druck von Autoritarismus ausgesetzt, darunter wirtschaftliche Nötigung, Behinderung der Teilnahme Taiwans an internationalen Angelegenheiten und Militärübungen in den umliegenden Gewässern. Taiwans Festhalten am demokratischen System und seine Entschlossenheit, die nationale und regionale Sicherheit zu schützen, seien allerdings nie ins Wanken geraten und würden auch künftig nicht nachlassen, versicherte sie.
Tsai Ing-wen bekundete ihre aufrichtige Hoffnung, das dänische Parlament könne der internationalen Gemeinschaft zeigen, dass Taiwan nicht allein sei. Außerdem hoffe sie, dass die dänische Regierung Hand in Hand mit der Europäischen Union (EU) und demokratischen Ländern auf der ganzen Welt zusammenarbeiten könne, um Taiwans demokratische Lebensweise und die bedeutungsvolle Beteiligung des Landes in der internationalen Gemeinschaft zu unterstützen. Durch Kooperation könnten Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße, in der indo-pazifischen Region und sogar der ganzen Welt gewährleistet werden, warb sie.
Am Abend des 14. Mai traf Tsai Ing-wen in London ein. Am Tag darauf hielt sie im britischen Parlament eine Rede vor pro-taiwanischen Mitgliedern des Unterhauses und des Oberhauses. Tsai lobte die taiwanisch-britische Zusammenarbeit, die in den jüngsten Jahren konkrete und beachtliche Ergebnisse hervorgebracht habe — so hätten beispielsweise mehr als 40 britische Unternehmen aus Bereichen der erneuerbaren Energie Niederlassungen in Taiwan gegründet. Ein im Jahr 2023 unterzeichnetes Abkommen über erweiterte Handelspartnerschaft fördere die bilaterale Zusammenarbeit bei erneuerbaren Energien, Investitionen und digitalem Handel, zählte sie auf.
Tsai empfahl verstärkte Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern, um ihre jeweilige Widerstandsfähigkeit und Sicherheit zu stärken. Antidemokratische Kräfte nutzten das freie und offene gesellschaftliche Umfeld zunehmend aus und würden mit Falschinformationen Zwietracht säen. Großbritannien sei einer zunehmenden Zahl solcher Bedrohungen ausgesetzt, während Taiwan das Land sei, das weltweit am häufigsten angegriffen werde, warnte sie. Künstliche Intelligenz (KI) und soziale Medien würden diese Bedrohungen verstärken.
Die Verteidigung von Freiheit und Demokratie ist dem ehemaligen Staatsoberhaupt ein besonderes Anliegen. Auch in Großbritannien rief Tsai Ing-wen daher zu Einigkeit auf und unterstrich, dass Taiwans Sicherheit ein Eckpfeiler dafür sei, Frieden und Stabilität in der Region zu wahren.
—Quelle: Taiwan heute, 05/16/2025
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